Welcome to Hans Erni!

die sportliche Ente, der geklonte Igel, ein Pharma-Pegasus und anderes Getier


Als Anfang November 1985 die offizielle verbandsinterne SLS-Vorinformation zur ersten Sportmarke erschien, gab es einigen Rummel: Angeblich sollte die «Pro Sport»-Marke vom 11. Februar 1986 von Hans Erni gestaltet worden sein.

«Pro Sport flyer»

Das normalerweise von der PTT-Wertzeichenverwaltung streng bewahrte Geheimnis schien vorzeitig aufgedeckt, denn findige Philatelisten hatten im Prospekt eindeutige Spuren entdeckt.

«Pro Sport maquette picture 1»
… ist doch typisch ein «Erni»: die Teilabbildung (und das Markenheftchen)

Zwei Wochen später, am 29. November 1985 setzte das LNN-Magazin in seiner «Briefmarken-Ecke» den Gerüchten ein Ende: «Da das Markensujet von den PTT bis zum offiziellen Publikationstermin (Anfang Januar 1986) als wohlgehütetes Geheimnis gepflegt wird, mussten wir bei der Schaffung des verbandsinternen Werbematerials auf eine Behelfslösung zurückgreifen. Wir schnitten deshalb aus der von Hans Erni dem Sport gewidmeten Gemäldeserie eine Ecke heraus, aus der wir eine Maquette schufen» (Marco Blatter, damals Vizedirektor des Schweizerischen Landesverbandes für Sport und Projektleiter «Sportbriefmarke»). Tatsächlich, der Vergleich der Attrappe mit dem originalen Werk zeigt die Herkunft des vermeintlichen Markenbildes. Die Jury — Erni war übrigens Mitglied des Gremiums — entschied sich für die Eingabe der Berner Grafikers Kurt Wirth.

«Kurt Wirth, Entwurf Sportmarke»
Kurt Wirth (1917–1996), ein Entwurf zur ersten «Pro Sport»-Marke 1986,
(aus der Dokumentation des SLS über «die Entstehung der Sportmarke»)

Was meinte Marco Blatter mit der «dem Sport gewidmeten Gemäldeserie»? Im Auftrag des Internationalen Olympischen Comités stellte Erni 1983 auf 31 Tafeln malerisch die olympischen Sportarten der Neuzeit dar. Sie bildeten «den Ausgangspunkt für die künstlerische Ausgestaltung des vom IOK projektierten Zentrums in der olympischen Stadt Lausanne» (I.O.C.-Präsident Juan Antonio Samaranch im Vorwort zum Katalog «Olympia — Gestaltender Sport»).



«Jeux de l'Olympiade»
«Olympische Sommerspiele», 1983, Tempera, 65 x 50 cm (big);
folgend ein paar weitere Beispiele der 31 Bilder fürs I.O.C.
(die Kunstdrucke und -karten sind übrigens im HEM-Shop erhältlich)
   
«Tennis»
«Schwimmen»
«Skilauf»
«Reiten»
   
«Bogenschiessen»
«Judo»
«Handball»
«Escrime»

Hans Erni war selbst aktiver Sportler — in seiner Jugend brachte er es zum Zentralschweizer Meister im Skisprung und Langlauf sowie zum zweifachen Schweizer Meister im Landhockey —, und er schwimmt immer noch tagtäglich ein paar Runden. Der Sport ist beileibe nicht sein einziges Thema, aber ein rotes Seil durch Leben und Werk. Die Bewegung und Dynamik des Körpers, Kraft, Hingabe und Ausdauer der Athleten, der Sport als Spiel, als fairer Wettkampf, als hehrer Ausdruck menschlichen Daseins sind wichtiger Bestandteil seines Schaffens. Kaspar Wolf (ab 1950 Ausbildungschef, dann Vizedirektor und 1968–85 Direktor der Eidg. Sportschule in Magglingen) schrieb 1984¹: «Hans Erni gestaltet in seinem schöpferischen Werk (…) nicht den Sport an sich. Er meint den Menschen. Und wenn er Olympia sagt, meint er den Menschen, der sich einst, und auch nur für eine Zeitspanne, im antiken Olympia verwirklichte. Den humanen Menschen, den die Neuzeit so dringend benötigt».

«Olympia — Gestaltender Sport»
«Olympia — Gestaltender Sport», Katalog zur Ausstellung, 1984 (big)

Hans Ernis Einsatz für den Sport weltweit (z.B. die Winterolympiade 1972 in Sapporo oder die Ski-Weltmeisterschaften 1987 in Crans-Montana) wurde 1988 von der ASAMA/The American Sport Art Museum & Archives gewürdigt: «His experience in sports and constant attention to the human experience gave Erni a considerable edge in eligibility for Sport Artist of the Year». Aber seine Kunst ist nicht nur international ausgerichtet. Schon seit langem hat er für kleine und grosse Anlässe und Organisationen in seiner Heimat gearbeitet: Angefangen mit den Entwürfen zur HYSPA 1931, den Plakaten zum 1. Eidgenössischen Meisterschaftswettkämpfen im Nationalturnen und dem 4. Kantonalen Turnfest Luzern, Ob- und Nidwalden (1935 bzw. 1936), zur Flugsportwoche Luzern 1947 und ab 1964 über Jahrzehnte für den Concours Hippique National in Tramelan, dann Jugend + Sport (1974), die Schacholympiade Luzern (1982) und seit der ersten Durchführung 1987 während vieler Jahre den Schweizer Frauenlauf in Bern.

«Schweizer Frauenlauf Bern»
Ernis «Läuferin» war lange Symbolfigur dieser Veranstaltung, und wer
die CD des 1999 veröffentlichten «offiziellen Frauenlauf-Songs» von Sara!
etwas näher betrachtet, entdeckt auch hier seine Spur
(solange Vorrat, ist die CD zu CHF 10 inkl. Versand erhältlich bei Meichle)

1988 war Kunst zu Gast im Berner «Haus des Sportes» mit der Erni-Ausstellung «Mensch in Bewegung». An der doppelt angesetzten Eröffnung wurde der Liederzyklus «Hexaphoneia» des amerikanischen Dirigenten und Komponisten Antal Doráti uraufgeführt: Sechs Sätze (Prometheus — Ganymedes — Danae — Daedalos — Charon — Euphoria) für Bariton, zwei Violinen, Viola und zwei Violoncelli nach Gedichten von Hans Erni. Die Vokal-Suite war eines der letzten Werke des 1906 in Budapest geborenen und 1988 in seinem Wohnort im bernischen Gerzensee gestorbenen Musikers.

«Kurt Wirth, Entwurf Sportmarke»
Mappe zur Vernissage am 7./8. Oktober 1988 (big); sie enthält
eine doppelbündige 24 Seiten starke Zeitung mit erläuternden Texten,
den Gedichten, Portraits der gestaltenden und der ausführenden Künstler
sowie vielen Abbildungen

Selbst eine Zeitungsente kann Ausgangspunkt eines überraschenden Spaziergangs durch Kunst und Kultur sein — doch zum Abschluss ein paar echte Enten, natürlich von Hans Erni :-)



«portrait Hans Erni»
der Katalog zur Ausstellung «Begegnung in China» von 1986 zeigt je ein
Aquarell von Fu Yi Yao und Hans Erni (dazu das entsprechende Plakat)
   
«Entenpaar»
«Ente und Enterich»
«Zwei Enten»
«Enterich mit ausgebreiteten Flügeln»

PS: Gelegentlich werde ich hier über weitere Kuriositäten und damit zusammenhängende Geschichten aus Erni-Land berichten.

Quellen:
¹ Kaspar Wolfs bemerkenswerter Beitrag im Katalog zur Hans Erni-Ausstellung «Olympia — Gestaltender Sport» (SS. 9–24)
• Kataloge der Fondation Pierre Gianadda
• im Text genannte und eigene Unterlagen

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